08/01/2025 0 Kommentare
Predigt von Superintendent Carsten Bolz zur Jahreslosung 2025: Prüft alles und behaltet das Gute!
Predigt von Superintendent Carsten Bolz zur Jahreslosung 2025: Prüft alles und behaltet das Gute!
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Predigt von Superintendent Carsten Bolz zur Jahreslosung 2025: Prüft alles und behaltet das Gute!
Hier finden Sie die Predigt als PDF zum Download.
„Es sind nur vier Worte, liebe Gemeinde, vier Worte, die über diesem neuen Jahr stehen. Das ist kurz genug, dass ich es mir merken kann. Und es passt zu den Vorsätzen, die viele für ein neues Jahr fassen. Vier Worte – in der griechischen Reihenfolge: Prüft alles – das Gute behaltet!
Ein wenig musste ich an Aschenputtel denken, Sie kennen das ja: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
Nun ging es dem Apostel Paulus gewiss nicht um Erbsen – auch nicht um Erbsenzählerei. Aber um genaues Hinschauen geht es schon. Wie Aschenputtel jede Erbse genau anschauen musste, um zu entscheiden – Töpfchen oder Kröpfchen – erwartet die Jahreslosung 2025 genaues Hinsehen, prüfende Blicke zum Einstieg ins neue Jahr:
als Erstes also:
(1) Prüft alles – das Gute behaltet.
Der 1. Thessalonicherbrief nimmt uns in eine längst vergangene Zeit mit, ganz an die Anfänge des sich bildenden Christentums. Es ist vermutlich das älteste erhaltene schriftliche Dokument des Christentums – etwa aus dem Jahr 50 n. Chr. Alles, was wir heute mit einer verfassten Kirche verbinden, gab es da nicht – noch lange nicht – keine verbindlichen Normen dafür, wie Kirche, wie Christentum sein sollten. Die ersten Gemeinden waren jüdische Gemeinden mit einem besonderen Profil, das sie selbst erst herausbildeten. Dabei sollten die Schlussverse des 1. Thessalonicherbriefes Hilfe sein, eine Richtschnur bieten. So soll es in dieser neuen Gemeinschaft zugehen; das stellte sich der Apostel Paulus in der Nachfolge von Christus vor: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. ...
Da sie das nun in Thessaloniki schon eine Weile so lebten, begannen sich offenbar Dinge einzuschleichen, die nicht gut waren. Und so ergeht vom Apostel Paulus ein Prüfauftrag an diese junge Gemeinde mit dem Blick auf die Zukunft.
Geprüft werden soll. Ich gebe zu, liebe Gemeinde, bei mir löst das auch weniger gute Erinnerungen aus. Ich denke an eigene Prüfungen – nicht immer erfreulich. Ich weiß nicht, wie Ihnen das geht, aber es gibt offenbar eine mir und auch anderen innewohnende Abneigung gegen Prüfungen. Die hängt gewiss mit der Sorge zusammen, die Prüfung nicht bestehen zu können. Und doch weiß ich auch, dass es notwendig ist, Dinge immer wieder zu prüfen, besser genau hinzuschauen: lieber mit dem Auto zum TÜV, als unterwegs liegenbleiben – lieber einmal an der Wurst riechen, als mir den Magen verderben – lieber den Reifendruck am Fahrrad geprüft, als auf der Felge zu fahren...
So zu prüfen, so genau hinzusehen, führt offenbar weiter, muss gar keine Sorgen machen – im Gegenteil. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! Bekanntermaßen ist es ja eher gut, wenn bei der Überprüfung Fehler auffallen. Das kann vor Schlimmerem bewahren. „Von Fehler zu Fehler entdeckt man die gesamte Wahrheit!“, soll Sigmund Freud gesagt haben oder schon Martin Luther: „Ein Christ ist immer im Werden, nie im Gewordensein.“ – „Von Fehler zu Fehler entdeckt man die gesamte Wahrheit!“
Darum als Zweites:
(2) Prüft alles – das Gute behaltet.
Für die Adressaten des Paulus, erste Christen in Thessaloniki, stand alles auf dem Prüfstand. Was werden sollte, wie Christentum, wie Kirche werden sollte, musste sich erst noch finden lassen – auch „von Fehler zu Fehler“ gewiss. Mir kommt es vor, als unterscheiden wir uns da gar nicht so sehr von den ersten Christinnen und Christen. Auch für mich, auch für uns stellt sich ja immer wieder die Frage, was wohl werden wird, was wohl werden soll – aus dem Christentum, aus der Kirche, aus unserer Kirche in unserer Zeit – was werden soll, obwohl oder vielleicht gerade weil so viel schon feststeht, in Regeln und Gesetze und Immobilien gegossen ist – manche sagen auch „verkrustet“. Viel haben wir im vergangenen Jahr darüber nachgedacht und werden das auch im neuen Jahr weiter tun. Was soll aus unserer Kirche werden – wie soll Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf werden, ist die herausfordernde Frage. Um sie zu beantworten, gehört es mit dem Jahreslosungsansporn von Paulus dazu, ALLES genau anzuschauen – alles, das uns in unserer Kirche so vertraut ist – alles, das einfach dazu gehört – alles, ohne das wir uns Kirche gar nicht vorstellen können. Und das heißt auch, nicht nur auf das zu schauen, was uns schon immer überflüssig vorkommt oder was nicht oder schlecht funktioniert, sondern auch auf das „Gute“. Ich denke an das halbvolle/halbleere Glas: „Prüft alles“ heißt dann: Schau auf das, was im Glas drin ist, nicht nur auf das, was fehlt. Schau auf das, was euch geschenkt ist, was gut geht, was schön ist. Seht alles an, nicht nur das Schlechte, Fehlerhafte, Unfertige. Alles genau anschauen eben – und dann: die Guten ins ... na, Sie wissen schon:
zum Dritten also:
(3) Prüft alles – das Gute behaltet.
Das Gute ins Töpfchen also. Das „Gute“ – wohlgemerkt!
Paulus schreibt nicht: das Beste – oder das Billige oder gar das Billigste – oder auch: das Gewohnte.
Nein, das GUTE behaltet!
Fragt sich also, was das ist, das GUTE. Wie kann ich das erkennen? Woran muss es sich messen lassen? Das Gute ins Töpfchen und das Schlechte ins Kröpfchen – das war ja Aschenputtels Leitlinie. Und lange habe ich auch bei Paulus gehört, dass das SCHLECHTE das Gegenteil vom GUTEN sei. Aber gleich im nächsten Vers schreibt er ja weiter: Meidet das Böse in jeder Gestalt.
Offenbar geht es Paulus nicht um einen Gegensatz von GUT und SCHLECHT (der Aschenputtelvergleich zieht also gar nicht) – sondern um den Gegensatz von GUT und BÖSE. Darüber haben ja Theologen über die Jahrhunderte immer wieder Abhandlungen geschrieben, wie es sich mit dem Bösen verhält. Das werde ich hier nicht zitieren, keine Bange! Aber mir hilft es, das erhaltenswerte GUTE zu qualifizieren, es von dem BÖSEN abzugrenzen. Wenn das Gegenteil also das BÖSE ist – also etwas anderes, als das was nicht oder nicht so gut funktioniert – wenn das Böse also sehr kurz gesagt vielleicht das ist, was Menschen auseinander bringt, was gegen Gott arbeitet – wenn das das Böse ist, dann wäre das Gute das, was Menschen zueinander bringt und zu Gott, was Gottes Willen mit der Welt in der Welt deutlich werden lässt, das also, wozu auch Jesus in die Welt gekommen ist. Aus dem Lukasevangelium haben wir ein bisschen davon gehört: ... zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn (Lk 4,18b-19).
Und Paulus selbst gibt ja in den Versen um die Jahreslosung herum verschiedene Hinweise, was das ist, das GUTE. Das ist uns alles gar nicht so fremd, glaube ich: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach ... .
Darum also schließlich:
(4) Prüft alles – das Gute behaltet.
Das ist nun eine ganze Menge, liebe Gemeinde, was da an Gutem genannt ist und behalten werden soll. Und das, was nicht behalten wird, kann dann offenbar weg. Heißt die Leitfrage für das neue Jahr also: Ist das gut – oder kann das weg? Denn das wird uns doch immer wieder deutlich: wir werden nicht alles von dem behalten können, an das wir uns über viele Jahre gewöhnt haben. Und was wir nicht behalten, davon müssen wir uns trennen, logisch. Gar keine einfache Sache – haben wir hier oder da schon gemerkt – zumal wir hier oder da auch unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wovon wir uns trennen können. Es scheint, die ersten Christinnen und Christen in Thessaloniki hatten es da leichter – hatten nicht so viel an Ballast angehäuft. Für uns ist eine Menge dazu gewachsen und über Jahrhunderte gepflegt und doch immer wieder überprüfungsrelevant. Was hat sich bei uns als „GUT“ erwiesen, sodass wir es behalten werden? Wohlgemerkt: als GUT – nicht als das BESTE, nicht als das KOSTENGÜNSTIGSTE – nicht als das GEWOHNTE! Was hat sich bei uns als GUT erwiesen und lohnt also, behalten zu werden?
Was wäre das für uns in Charlottenburg-Wilmersdorf im Jahr 2025? Im letzten Sommer habe ich dazu Gedanken aufgeschrieben, die ich hier gerne in Erinnerung rufe: „Wir müssen unsere Aufgaben bei weniger werdenden Ressourcen weiterhin gut erfüllen und weiterhin – mit weniger finanziellen Mitteln – gute Angebote für Menschen vorhalten. Wir denken, dass das gemeinsam und über Gemeindegrenzen hinweg besser geht als allein. Unsere Aufgabe beschreibe ich dabei in fünf Aspekten: (1) Gottes Menschenfreundlichkeit in der Welt deutlich werden lassen, (2) Glauben stärken, (3) Seelsorge anbieten, (4) diakonisch aktiv sein sowie (5) in der Gesellschaft und mit der Gesellschaft wirken, in der wir leben. Die Art und Weise, wie das gut umgesetzt werden kann, muss jeweils vor Ort miteinander herausgefunden und ausprobiert werden.“ – So habe ich geschrieben – in Kürze: Prüft alles – das Gute behaltet – und von dem anderen verabschiedet euch.
Das ist unsere Aufgabe, liebe Gemeinde, keine leichte Aufgabe, immer wieder miteinander auszuhandeln, was das ist. Das Gute, das ist auf jeden Fall nicht einfach das, was mir gerade in den Kram passt. Es ist das, was für ein gutes Leben miteinander taugt – und mit Gott. Und da würden mir schon einige Beispiele einfallen: Tauffest an der Havel, Weihnachtsbus, Kältehilfeprojekte, Chorfest, weltweite Partnerschaft am Beispiel Huruma, ...
Ich bin überzeugt, liebe Gemeinde, für uns steht tatsächlich alles auf dem Prüfstand – wir werden genau hinsehen, uns fragen, was für ein gutes Leben miteinander und mit Gott taugt, und dahinein investieren und uns konsequenter Weise von manchem, auch von Liebgewonnenem trennen müssen. Wir werden dabei auch Fehler machen, gewiss. Aber mit Gott werden wir vertrauen, dass wir dabei von Fehler zu Fehler, Schritt um Schritt die gesamte Wahrheit entdecken. Gott wird uns dabei auch im neuen Jahr zur Seite sein und uns dabei unterstützen, das Gute zu behalten – und es am Ende GUT werden zu lassen. Das glaube ich fest – und das nicht nur, weil auch Aschenputtel am Ende einen Prinzen bekommen hat.
Amen.“
Superintendent Carsten Bolz
01.01.2025 – Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
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